Teil 34 – In Bummini Patri

Mai 23, 2021

Die Pathologische Kirche wird homöopathisch! Ich weiß nicht, ob mich das freut. Aber ich verstehe es. Dass ich das Alles verstehe, freut mich sehr, denn das erlebe ich nicht alle Tage. Versteht ihr? Mist, das war ein holpriger Einstieg. Aber zu meiner Verteidigung verweise ich auf eine Geschichte, die auf urchristlich-gepflasterten Pfaden ihren Anfang nahm.

Also ganz in Ruhe und von vorn: Die Katholische (oh, ich hab mich bei der Einleitung verschrieben) Kirche verliert massiv Mitglieder. Vor allem Mitgliederinnen. Ich überlege gerade, warum ich diese Nachricht zum Anlass für einen Blog nehme. Schließlich handelt es sich hierbei doch um einen natürlichen Vorgang. Nach all den Jahrhunderten geradezu überfällig. Kardigeneral Woelki sagt: Die Katholische Kirche ist keine Demokratie! Danke Rainer Maria für die Erinnerung, aber das wusste ich schon. Also nicht Rilke. Woelki! Herrlich, in welch abstrusen Welten sich diese alten Männer bewegen. Daraus leite ich für mich die Frage ab – was ist die Katholische Kirche denn dann, wenn sie keine Demokratie ist? Ich blätter mein Gyridaumenkino nach gesellschaftlichen Machtmodellen durch: Feudalismus, Absolutismus, Diktatur, Kommunismus (ach, das sagte ich ja schon), Sozialismus, Patriarchat und wie diese lustigen Truppen sich auch immer nennen. Bei aller Nächstenliebe – ich kann kein vergleichbares Modell finden. Nicht mal bei eBay-Kleinanzeigen. Aber ich sehe, es gibt sogar matriarchalische Völker! Also nicht bei eBay. Wir alle kennen die Mosuo in China, die Minangkabau in Indonesien und die Khasi in Indien. Sie leben unter der Regie der Frauen. Quasi der Gegenentwurf zur Kathalonischen Kirche. Ich habe keine Ahnung, wie es sich da als Mann leben lässt. Aber sicher angenehmer als es eine Frau im Schoß der Katholischen Kirche empfinden mag. Denn da findet sie ja praktisch nicht statt. Also, die Frau. Sie ist schließlich seit Eva Schuld an Allem. Und da ist die Kirche echt nachtragend! Das Zölibat sollten wir demzufolge als eine Art Notwehr verstehen. Ich verstehe es weder als Notwehr, noch als sonst was. Ich verstehe es einfach nicht. Das kommt bei mir manchmal vor.

Es ist Pfingsten, es wird die Gründung der Kirche gefeiert. Laut hochbetagter Literatur kam an diesem Tag der Heilige Geist aus dem Himmel zu uns und den anderen Jüngern Jesu darnieder und manifestierte so seine Geistesgegenwart auf Erden. So weit, so gut. Hätte ich auch so gemacht, wäre ich ein Geist. Bin ich aber nur selten. Höchstens mal derartig umnachtet. Mein Vorteil gegenüber Geistern besteht darin, dass ich per natürlicher Geburt auf die Welt kam und dazu gottseidank keine äußeren Atmosphärenschichten durchbrechen musste. Die Spaceshuttles der NASA brauchten einen Hitzeschild aus Keramikkacheln, um dabei nicht zu verglühen. Keine Ahnung, wie das der heilige Geist damals gemacht hat. Vielleicht gab es unter der Jüngerschar Jesu einen Fliesenleger. Ansonsten gab es unter seinen Followern vom Steuereintreiber bis zum Fischer und Zöllner so ziemlich alle damals systemrelevanten Berufe. Ich habe gerade mit Bummi darüber gesprochen, er hat auch keine Ahnung, wie das mit dem Nichtverglühen gehen soll. Dabei kennt er sich eigentlich auf allen Fachgebieten ziemlich gut aus. Zumindest vermittelt er den Eindruck. Auf seinem Weg von der elterlichen Höhle in Kanada bis ins Kinderzimmer meiner jüngsten Tochter hat er sehr viel gesehen und erlebt. Von diesem Erfahrungsschatz zehren wir jeden Abend.

Mal angenommen, ich wäre die Katholische Kirche und mir würden die Menschen scharenweise davonlaufen. Was würde ich tun? Ich übersetze das mal in meinen alltäglichen Kontext: Wenn die Menschen aus meinem engeren Umfeld statt meiner Nähe das Weite suchen sollten, welche Lehren würde ich daraus ziehen? Erste Möglichkeit: Ihr könnt mich alle mal kreuzweise! Die Folge wäre endlose Einsamkeit. Zweite Möglichkeit: Ich beginne mich zu reflektieren. Ach, das ist totaler Quatsch. Eine Kirche reflektiert sich nicht! Aber es geht ja jetzt ausnahmsweise mal um mich. Ich würde mich zunächst mit Bummi besprechen und ihn fragen, ob er sich für sich die Bekleidung eines höheren Amtes vorstellen könne. Er meint, dass die Bekleidung, die ihm eine der größeren Schwestern meiner jüngsten Tochter immer näht, völlig ausreicht. Und dass er für das Amt des Papstes nicht zur Verfügung steht. Er möchte sich im Moment auf seine Funktion als höhere Instanz im Kinderzimmer konzentrieren. Ich nehme das erleichtert zu Kenntnis und biete ihm eine Vertragsverlängerung an.

Wohin nun mit einer Kirche, die bald menschenleer sein wird? Wenn die so prall durch Ablasshandel, Unterdrückung und Kirchensteuer gefüllten Kassen versiegen? Hab ich gerade Abgashandel geschrieben? Nein, das wären ja diese CO2-Zertitikate. Das hat hier nichts zu suchen! Egal. Also, wohin mit einer Institution, die es in über zweitausend Jahren nicht verstanden hat, im Sinne der Menschen zu handeln, die sie finanziert und um die es ja laut der Lehre des Heiligen Geistes eigentlich geht? Ich meine damit die Schafe. Nicht die Fliesenleger. Abschafen geht ja nicht. Äh, abschaffen. Denn dann müssten die Kleriker ja anschaffen gehen. Das wäre der falsche Weg und noch dazu nicht mit der katholischen Moral vereinbar. Denn es gibt ja weltweit mehr gläubige Christen als mit Corona infizierte Menschen! Das leugne ich nicht. Aber wohin mit Denen? Wenn ihnen der Hochaltar zu hoch, die Kanzel zum canceln und der ganze Rest einfach nur noch zum Austreten ist. Wohin damit? Mein innerer Lektor sagt mir gerade, dass ich noch auf den zehntausendfachen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in der Katholischen Kirche eingehen müssen muss. Lieber Lektor, ich müsse nicht! Denn ich möchte weder mir, noch den drei Lesern dieser Zeilen den Tag verderben. Woelki hat dazu schließlich auch nichts gesagt.

Mein Vater war Pfarrer, zu meinem großen Glück evangelischer. Sonst gäbe es diesen Blog hier gar nicht! Er war den Kollegen der katholischen Fraktion gegenüber immer sehr kritisch. Denn vieles an der anderen Konfession passte so gar nicht in sein sozialistisches Weltbild. Aber er ist ihnen auch immer mit Respekt begegnet. Dieses Verhalten nennt man Ökumäne. Das hat jetzt nichts mit Tofu, geschweige denn mit Nachhaltigkeit zu tun. Ökumäne heißt wörtlich übersetzt „Die ganze bewohnte Erde“ und meint die Bemühungen um die Einheit aller getrennten Christen. Wenn ich Bemühungen sage, denke ich dabei nicht nur an Nordirland. Immer wieder wurde und wird die Konfession in Konflikten und Kriegen missbraucht. Ganz zu schweigen von den Konflikten zwischen den anderen großen Weltreligionen. Dennoch hatte mein Vater einen Lieblingswitz, den ich irgendwann auch verstand: „Was ist der Unterschied zwischen einem evangelischen und einem katholischem Pfarrer? Beim evangelischen Geistlichen hängen die Windeln vor dem Haus, beim katholischen dahinter.“ Er hat sich jedes Mal diebisch darüber gefreut, wenn er ihn erzählte. Man muss dazu wissen, dass bei uns sehr viele Windeln vor dem Haus hingen. Hinterm Haus hingen andere Dinge.

Ich schließe mit einem Zitat von Rainer Maria Rilke: „Es gibt Augenblicke, in denen eine Rose wichtiger ist als ein Stück Brot.“ Guten Appetit, Herr Woelki. Und immer an die Dornen denken! Bummi stimmt mir zu. Er freut sich auf ein Stück Lachs aus dem Kühlschrank. Ach du liebe Zeit.

PS: Der Evangelischen Kirche kommen auch die Schafe abhanden.

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Teil 33 – Bummi

Mai 6, 2021

Der kleine Bär meiner jüngsten Tochter erzählt jeden Abend vor dem Einschlafen einen Schlag aus seinem Leben. Er heißt Bummi. Mal gibt es die Rubrik „Bummipedia“, in der er die Dinge und die Welt erklärt. Oder was sein Urururururururururgroßvater alles erfunden hat und so weiter. Oft geht es auch um tagesaktuelle Themen, wie z.B. die Mathearbeit am nächsten Tag. Heute hat er damit geprahlt, dass er ziemlich gut rechnen könne und dass er dafür nur zwei Tatzen brauche. Mich hat das an irgendwas erinnert. Als er dann sagte: „Wenn ich die Tatzen in die Hosentaschen stecke, hab ich `n Taschenrechner!“, fühlte ich mich plötzlich verstanden, steckte meine Hände in die Taschen und war sicher, mich so den algebraischen Herausforderungen des Alltags ruhig und gelassen stellen zu können. Denn ich kann nicht rechnen. Sollte ich dies hier bereits erwähnt haben, so seht mir meinen Hang zu Wiederholungen nach.

Offenbar brachten mich meine Defizite beim Rechnen irgendwann zum Schreiben. Denn es ist gut, wenn man wenigstens eine dieser Disziplinen halbwegs drauf hat. In den letzten Monaten fiel mir das Schreiben hier etwas schwer. Das Rechnen sowieso. Mein diesbezügliches Niveau entspricht exakt dem der vierten Klasse. Es gab ein Überangebot an Themen und wenn ich mal eins davon beschreibenswert fand, wurde es am nächsten Morgen bereits von Hiob eliminiert. Nachdem ich eben meinen Rechner reseten musste (er ist nach der Nachricht über den rassistischen Ausfall des ehemaligen Nationalfliegers Jens Lehmann erstarrt) und neu startete, erschien auf dem Startbildschirm eine blaue Lagune mit kleinen Hütten am Strand. Herrje, wie gerne wäre ich jetzt genau da! Stattdessen Sturm, Hagel, Gewitter und eisige Kälte. Und das Anfang Mai. Ich bin geneigt, den Klimawandel zu leugnen. Leider gibt es da nur nichts zu leugnen. Geleugnet wird ja heutzutage, was das Zeug hält. Ich würde zu gern leugnen, dass neulich Beatrix von Stroh hinter mir an der Kasse im Supermarkt stand. Ich würde sogar soweit gehen, zu leugnen, dass es die gibt. Also, nicht die Kasse. An der schlägt bekanntlich die Stunde der Wahrheit! Anders als bei der klappernden Störchin.

Wahrheit. Ein schönes Stichwort. Wer ist diese Wahrheit überhaupt und wo lebt sie? Seit Trumps Regentschaft hat sie sich irgendwo in den Everglades verbarrikadiert. Aber auf den wollte ich eigentlich gar nicht mehr eingehen. Geschweige denn, mit ihm ausgehen. Sein Abgang ist übrigens ein weiterer Grund, warum ich mich so lange nicht mehr schreibend hervorgetan habe. Ich hatte kurz vor dem amtlichen Endergebnis der Qualen in Trumpmenistan den Teil 33 fast fertig. Danach war neben meinem bescheiden Beitrag auch Trump fertig und ich ließ meinen Entwurf in den Berliner Himmel fliegen. Man muss auch mal loslassen können. Wahrheit. Eine junge Frau hat in Moskau auf der Straße sitzend, martialisch ausgestatteten Sicherheitskräften die russische Verfassung vorgelesen. Eine Art Greta Thunbergowa. Die kluge Symbolhaftigkeit dieser Aktion trieb mir die Tränen in die Augen. Die Reaktion ihres Staates auch. Ein Staatsanwalt fordert eine langjährige Haftstrafe für diese mutige Frau. Die sich übrigens auf Sophie Scholl beruft. Und hier beschweren sich Menschen darüber, dass man heutzutage gar nichts mehr sagen darf. Und dabei nicht bemerken, dass sie mit ihrem Gemecker genau das tun. Und es sogar dürfen. Und dass in ihrem Fall kein staatlicher Anwalt mit dem Zellenschlüssel vor ihrer Nase rumweidelt. Ich empfehle an dieser Stelle dringend sich das Lied „Dürfen darf man Alles“ von den Prinzen anzuhören. Noch besser, das offizielle Video. Da wird auch mein Freund, das Brot mit dem lustigen Deutschland-Anglerhütchen von Pegida zitiert.

Dass Wahrheit ein relativer Begriff ist, weiß ich seit meinem Vorleben in der DDR. Da wurde nach Strich und Faden geflunkert. Gut, soo viel hat sich daran nicht geändert. Womit ich nicht die Lügenpresse-Attitüde supporten will! Natürlich wird auch heutzutage nicht mit der Objektivitätsbrille bis zum letzten Grashalm recherchiert und es gilt noch immer der journalistische Grundsatz, dass die schlechte Nachricht die gute Nachricht ist. Zumindest im Hinblick auf Einschaltquote und Auflagenstärke. In den Medien spiegelt sich personell und politisch auch nur der Querschnitt der Gesellschaft wider. Das ist in allen Bereichen so. Außer bei mir und Bummi. Aber wir sind auch eher eine Art Parallelgesellschaft und finden dementsprechend nur wenig Beachtung. Wie nun kann man die Wahrheit herausfinden? In erster Linie ist die Fähigkeit zum Denken ein probates Mittel. Ich habe mal gehört, dass auch Zuhören weiterhilft. Darüber hinaus ist es hilfreich, sich umfassend zu informieren und nicht Allem und Jedem auf den Leim zu gehen. Sonst klebt man nämlich fest an diesem fiesen Schleim! Fest an obskuren Ideologien, fest an erfundenen Weisheiten, fest am verträumten Heididei. Und das will ja keiner. Komischerweise machen das dennoch viele Menschen so. Wer klebt, kann sich nicht bewegen, ganz einfach. Aber es ist bequem. Die einzig mögliche Bewegungsart für diese Spezies besteht im Mitlatschen auf Pegida- und Leerdenker-Demos, bei Nazi-Aufmärschen und im Fingeryoga beim Hetzen und Petzen in den asozialen Netzwerken. So ähnlich würde Bummi das ausdrücken. Und der kennt sich aus!

Was uns fehlt, ist das bereits erwähnte Zuhören, das Aufeinander achten, dass, was man früher Respekt nannte und zwei bis drei weitere Grundelemente der zwischenmenschlichen Relationen, die mir grade nicht einfallen. Das geht vielen Menschen so. Bummi? Er liegt gerade im Bett meiner Tochter und sinniert vor sich hin. Vielleicht überlegt er sich gerade eine Geschichte für heute Abend. Ich werde ihn heute keine Nachrichten gucken lassen und auch Spiegel-Online ist tabu. Soll er die Ruhe und die Sonne genießen und die schönen Gedanken finden, die man für schöne Geschichten braucht. Ich mach mir jetzt eine Flasche 2018’er Tempranillio Namens Coronas auf und trinke auf das Wohl und die Schönheit dieser Welt. Beides will ich mir nicht vermiesen lassen. Nicht von den Nachrichten, nicht von den Flöten, die in dunklen, ungelüfteten Stuben hocken und ihren Hass und ihre Dummheit in die Welt hacken. Ach ja, falls sich hier wieder Fehler eingeschlichen haben sollten – ich schiebe das mal ganz galant auf die Autokorrektur! Die sollte sich meiner Meinung nach auch bei menschlichem Fehlverhalten automatisch aktivieren.

Bummi, der du meine Stimme hast und der du meine Sprache sprichst. Der du meine Gedanken und Ideen teilst – finde bitte am Abend am Bett meiner Tochter die richtigen Worte, um diese Welt und diese Zeit zu erklären. Ich kann das nicht. Ach du liebe Zeit.

Bummi

Teil 32 – Die Krone der Schöpfung

September 29, 2020

Die Krone der was? Das wird sich jetzt so mancher von Euch fragen. Ich persönlich kenne diesen Satz aus der Bibel. Auch wenn ich nicht unbedingt zu den Bibelfesten zähle. Übrigens auch nicht zu den Fibelbesten! Aber das nur am Rande. Das ist auch schon sehr lange her, dass ich das nicht war. Also: Die Krone der Schöpfung. Ich drösel das mal auf. Wikipedia schreibt zu Krone – ich zitiere:

Eine Krone (lateinisch corona ‚ der Kranz‘; griechisch κορώνα‚ Kranz‘, ‚Krone‘) ist eine kostbare, meist aus Gold und Edelsteinen gearbeitete Kopfzierde vorwiegend christlich-abendländischer Herrscher: sie ist Ausdruck ihrer Macht und Würde sowie Symbol ihrer Herrschaft über ein bestimmtes Volk oder ein Territorium. Daher wird „die Krone“ auch als Synonym für ein mit staatlicher Würde ausgestattetes König- oder Kaisertum benutzt. Zitat Ende. Habe ich da grade Corona gelesen? Das gibt’s doch gar nicht! Das gab‘s damals schon? Das könnte so manches Gemetzel, so manche Völkerwanderung im Nachhinein in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen. Also, falls es dabei um die Biersorte ging. Ich muss schnell googlen, was Schöpfung bedeutet…Moment. Ich zitiere weiter:

Auf eine Schöpfung durch einen Schöpfer wird in Kulten und Religionen die Ursache für den Anbeginn der Welt (Erste Ursache) zurückgeführt. In Anlehnung daran wird auch die erschaffene Welt (das Leben, die Erde, das Universum) als die Schöpfung bezeichnet. Zitat Ende.

Also gehört Corona nicht dazu, Gottseidank! Wie komm ich auf Gott? Ach so, wegen dem Schöpfer. Übrigens, wenn Ihr das Wort Schöpfer zehn Mal hintereinander sprecht, verliert es seinen Schrecken. Ich halte fest, es gibt nach biblischer Ansicht einen Schöpfer, der das Leben, die Welt und obendrein das Universum geschaffen hat. Bei Leben und Welt weiß ich nicht genau, wer das gewesen sein könnte, aber das mit dem Universum war glaub ich Einstein. Und falls „Leben“ auch den Menschen mit einbezieht, so sollte man diesen Typen posthum für diesen Pfusch zur Rechenschaft ziehen.

Wenn ich nun den Wikipedia-Eintrag zur Krone im Kontext Schöpfung mit meinen biblischen Grundkenntnissen quer- oder weiterdenke, lande ich unweigerlich beim Menschen. Dem Menschen als die Krone der Schöpfung. Hah – der war gut! Ist damit der lückenlos tätowierte Typ im AMG-Mercedes mit dem „Fuck you Greta“ – Sticker am gepimpten Heck gemeint? Womöglich unser Bundesverkehrtminister? Oder gar der amerikanische Erpelsident? Ich denke, alle oder keiner von denen. Keiner! Nur, wer dann? In der Bibel steht übrigens ein Satz, der u.a. von christlich-demokratischen und -sozialen Umweltbenützern gern zitiert wird: Der Mensch mache sich die Erde Untertan. Wie wir alle wissen, steht das im Alten Testament, Genesis 1,28: „Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel …usw. Auch Pferde, Väterchen? Auch Pferde! (Das ist ein Insider. An ihm kann ich erkennen, welcher Leser aus welchem Teil Deutschlands stammt. Mein bescheidener Beitrag zum bevorstehenden Tag der Deutschen Einheit.) Doch egal wie weit man die Genesis liest, da steht nichts davon, dass der Mensch die Erde vergewaltigen soll! Aber genau das tut er, der Mensch. Also Du und ich. Wir tun das. Nicht die Pferde. Nur merken wir das nicht. Denn wir machen das nicht nur aktiv, indem wir irgendwelche Dreckschleudern in die Botanik pflastern. Nein, wir machen das auch mit unserem Konsumverhalten, unseren Urlaubsreisen, unserer täglichen Schnäppchenjagt, unseren Speiseplänen und und und. So sind wir. Und plötzlich, wie aus dem Nichts, sitzt da ein kaum 1,50 Meter großes Mädchen mit zwei Zöpfen einsam und allein vor dem Schwedischen Reichstag und protestiert gegen die kollektive Vergewaltigung der Erde. Wer bis heute nicht genau versteht, warum sie das tut, dem sage ich: Weil sie Recht hat! Und was passiert immer, wenn jemand recht hat? Er, in dem Falle sie, kriegts von allen Seiten! Weil sie es wagt, der Krone der Schöpfung einen Zacken raus zu brechen. Was sie nicht tut, aber die Krone denkt das. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Sie denkt, man will ihr alle Zacken rausbrechen. Den Autozacken, den Kurzstreckenflugzacken, den Fossilenergiezacken und natürlich den Freiheitszacken.

Heute ist mir ein, ich dachte zuerst ein Mitbürger vor´s Fahrrad gelaufen. Ohne zu gucken. Um nicht Eins zu werden mit ihm und seinem Kaffee Zum Laufen – Becher, musste ich scharf bremsen. Ich sagte freundlich: Immer mal einen Blick nach links riskieren! Er stieg in sein SUV und antwortete patzig: Selber! Da musste ich noch mal bremsen und sagte ihm nicht minder freundlich, dass ich, hätte ich das nicht getan, ihm schmerzhaft näher gekommen wäre und dass ich seine Argumentation sachfrei finde. Er meinte voller Wut, er hätte ein Problem mit Radfahrern. Ich erwiderte mäßig freundlich, dass er offenbar nicht nur ein Problem mit Radfahrern hätte. Egal. War doch kein Mitbürger. Diese hehre Bezeichnung impliziert durch die Präposition „mit“ eine Bereitschaft und eine Fähigkeit zum Gemeinsinn. Sicher war er nur überrascht, beim Überqueren eines Radweges auf der Schönhauser mitten im Berufsverkehr auf einen Radfahrer zu stoßen. Das könnte seine Wut erklären. Ich verstehe das. Wie musste er erst am letzten Freitag gelitten haben, als sich dort etwa um die gleiche Zeit ein Demonstrationszug der Fridays for Future – Bewegung auf der Straße breit machte. Ich bin mit meinem Motorroller auch da rein geraten, habe auf Elektroantrieb umgeschaltet und bin brav und emissionsfrei hinterhergesurrt. Es dauerte etwas und ich hatte Zeit in die Gesichter der Autofahrer neben mir zu schauen. Aus den meisten Blicken sprach der innige Wunsch, auf der Stelle in einem Auto aus einem James Bond Film zu sitzen. Ausgestattet mit den Dingen, die man so braucht, um sich den Weg freizuballern. Fuck you Greta!

Ich habe gelesen, dass einige Schöpfungsikronen von Querdenken 711 eine Art Tournee durch Bayern, genauer gesagt, durch die Oberpfalz planen. Tour de Corona. Angeführt von Michael Ballweg, dem Pandamiebär aus dem Stuttgarter Zoo. Da es sich bei der „Wilhelma“ um den einzigen zoologisch-botanischen Garten Deutschlands handelt, sollte seine Versorgung mit Bambusblättern soweit gesichert sein, dass er nicht auf anderes Grün zurückgreifen muss. Falls doch, so ist bestimmt Xavier Kettenkiffer Naidoo in der Nähe und lässt ihn mal ziehen. Ich würde ihn auch ziehen lassen, egal wohin. Für das Catering könnte Attila Hitlermann sorgen. Ich bin nicht der Typ, der andere Menschen „Zurück an den Herd“ beordert. Aber in seinem Fall mache ich gern mal eine Ausnahme. Ken (das ist nicht der von Barbie) Jebsen könnte die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen. Der weiß am besten, mit welcher gehobelten, braunen Kacke man das Volk am besten bescheißt. Denn DIE sind das Volk, die wollen das so. Ich bin da raus. Interessant an dieser Tortour ist, welche Patridioten da aus ihren Löchern kriechen. Diese ganzen rechtsdrehenden Subkulturen aus dem Hause der Reichsbürger, Identitären, Pseudowissenschaftler, Hobbyvirologen und Pegida-erprobten Flitzpiepen. Und das alles natürlich mit freundlicher Unterstützung der örtlichen AfD und anderer regionaler Eliten. Wer da, aus welchen Gründen auch immer mitmarschiert, sollte sich besser vorher klar machen, wem er die Steigbügel hält! Immer mal einen Blick nach rechts riskieren. So wie auf der Schönhauser, nur andere Seite.

Ich bin gespannt, wie man in bayrischen Kleinstädten mit diesen Abermillionen Demonstranten klar kommt. Schließlich sollen sie alle freundlich empfangen und gut behandelt werden. Da sollte man keine Abstriche machen! Sie sollen gut zu Essen und zu Trinken bekommen und wegen dem einen oder anderen Dixi-Klo sollten sich die Verantwortlichen vor Ort nicht lumpen lassen. Schließlich haben wir es hier mit reichlich brauner Kacke zu tun.

Ich erwähnte Eingangs, dass ich mich weder zu den Bibelfesten noch zu den Fibelbesten rechnen würde. Rechnen kann ich auch gar nicht. Ich weise nur darauf hin, dass in diesem Text wie immer ein paar Schreibfehler (Fibelbester, der ich nie war) hinterlegt sind. Die meisten davon unbeabsichtigt. Einige jedoch durchaus mit der vollen Absicht, Neologismen zu erschaffen. Quasi als Schöpfer. Ich möchte das auch mal. Ach du liebe Zeit.

Teil 31 – Sammeltassen

September 13, 2020

Ich werde mal wieder meinen Beruf wechseln. Ich werde Maler, Weißbinder, wie auch immer man auch die Menschen nennen mag, die unseren vier Wänden Papier und / oder Farbe verleihen. Denn ich möchte jemandem seinen Hobbymodelleisenbahnkeller mit Fotos von den Kindern von Moria tapezieren. Mögen ihm danach seine albernen Züge entgleisen. Auf der Schiene und im Gesicht. Das in Modelleisenbahnbesessenenkreisen gebräuchliche Schienenmaß „H0“ bekommt in seinem Kontext eine völlig neue Bedeutung. Ich übersetze frei: Horst Null! Der CSU gehört spätestens jetzt das „C“ aus der Typenbezeichnung gestrichen. Meine Erinnerungen an Kindheit und Jugend in einem Pfarrhaus sagen mir etwas Anderes über Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit, als diese sogenannte christliche Volkspartei. Wer ist das Volk? Wovor hat unser (unser?) Bundesheimat*innenmininster überhaupt Angst? Ich vermute, vor der AfD. Das eint uns irgendwie, macht ihn mir aber nicht automatisch sympatisch. Oder sagt man autophatisch? Das klingt eher nach einer Diagnose aus dem ICD-10. Aber unsere Angst ist nicht die gleiche. Vielleicht hat er aber auch nur Angst um seine Schienen, Weichen und Puffer. Und um den Schotter zwischen den Schienen. Beim Schotter hört ja bekanntlich die Freundschaft auf. Oder gehts um die heimeligen Modelleisenbahnhöfchen und -dörfchen mit den -menschchen davor? Oder vielleicht ängstigt er sich auch um seine Sammeltassen. Alles total nachvollziehbar! Kennt jeder. Mir fällt grade auf, ich hätte das Gendersternchen bei Bundesheimat*innenmininster weglassen können. Heimat ist ja schon weiblich. Die Heimat. So wie: „Die Muttersprache“. Wir Männer haben lediglich „Das Vaterland“ abbekommen. Mit voller Wucht. Was wir auch schon zwei Mal mit voller Wucht zu verteidigen versucht haben. Beide Male bei dem Versuch, Selbiges anderen Völkern abspenstig zu machen. Beide Male erfolglos. Gottseidank! Dennoch war die Weltgemeinschaft danach gnädig mit uns und hat es uns trotz allem gelassen. Das Vaterland. Falls Du das hier liest: Danke dafür, liebe Weltgemeinschaft! Ich weiß nicht, ob sich jemals eine Deutsche oder ein Deutscher deswegen bei Dir bedankt hat. Ich möchte mich damit in die lange Reihe der Kniefaller einreihen. Brand und wie sie alle heißen. Äh, Moment, nee – dass waren ja schon alle. Also Willi. Gut, immerhin sind wir jetzt schon Zwei. Brand und Krispin. Ich bin gerade wieder aufgestanden und ich sage Euch: Es tat nicht weh, weder am Knie, noch sonstwo! Weh tat es nur den Anderen, denen wir das angetan haben und so für Fluchtbewegungen unendlichen Ausmaßes an anderen Völkern und an dem eigenen gesorgt haben. Eine nachkriegliche Desorientierung führte ab den Fünfzigern dazu, dass innerhalb der Grenzen von 1945 munter durch eine Einbahnstraße geflüchtet wurde. Hin, nicht her. Also aus meiner himmelsrichtigen Sicht. Vergessen? Wir haben schon immer für viele Schlacht- und Fluchtszenarien gesorgt. Auf der anderen Seite konnten wir immer gut wegrennen.

Und nun Horst. Der völlig humor- und mitleidlos auf dem toten Gleis einer Gesamteuropäischen Lösung vor sich hin dampft, während sich aufnahmebereite Amtsträger*innen auf Kommunal- und Landesebene daran machen, die richtigen Weichen zu stellen, seinen Briefkasten sprengen und darauf verweisen, dass man helfen MUSS! Und kann. Mein Bezirksbürgermeister von Pankow, Sören Benn, hat H0 einen schönen Brief geschrieben. Nachzulesen auf seinem Facebook Profil. Ich bin stolz darauf, ihn gewählt zu haben. Ich bin stolz auf ihn. Also auf Sören. H0 glaubt noch an eine feenhafte Empathie von Leuten wie The Great Victory Orban, er glaubt an die Gastfreundlichkeit einer PIS(S) – Regierung und so weiter und sofort. Schön. Ich glaube an die Überflüssigkeit von Sammeltassen. Die ich nicht habe. Ich habe vor fast genau fünf Jahren eine schlecht gerappte Weihnachtsbotschaft ins Youtube – Universum geschickt. Es ging darin auch um die Angst um unsre Sammeltassen. Für mich das Sinnbild von nutzlosem Kram, von dem wir annehmen, dass fremde Kulturen ihn uns nehmen wollen. Wollen sie nicht! So blöd sind die nicht und deren Kultur hat schon unglaublichere Kunstschätze als Sammeltassen hervorgebracht, als wir hier und anderswo noch keulenschwingend übereinander hergefallen sind. Und wenn sie nachts kämen, um uns die Sammeltassen zu nehmen – Leute, kurz nach dem ersten Sonnenstrahl lägen die wieder vor unserer Tür. Irren ist menschlich. Diese Menschen wollen uns nichts nehmen! Mit Ausnahme der statistisch in jedem Volk vertretenen Gruppe der Langfinger. Die Olsenbande war auch nicht besser. Aber wir fanden sie lustig. Ich übrigens noch immer. Aber ein: „Mächtig gewaltig, Ahmed!“, kommt keinem Flüchtling aus Idlib, Kabul oder Mali angesichts unserer Porzellan – geladenen Vitrinen über die Lippen.

Was bilden wir uns eigentlich ein? Wer sind wir, dass wir uns so verhalten? Warum haben wir einen Heimatminister, wenn der nicht in der Lage ist, Menschen, die ihre Heimat verloren haben, eine neue zu bieten? Klar, er ist unser Heimatminister und es ist unsere Heimat. Aber die Definition dieses Begriffs war schon in der Steinzeit überholt. Wir sind doch Weltmeister darin, Heimaten zu rauben und anderen Kulturen unsere Kultur überzuhelfen. Und jammern selber was das Zeug hält, wenn ein paar Tausend flüchtende Menschen sich fein homöopathisch dosiert im ganzen Land verteilen. Dass wir hier durchislamisiert werden, dass eine Umvolkung im Gange ist und dieser ganze Mist. Wie reden aktuell über etwa 12000 Menschen in allerallergrößter Not. Verteilt auf ca. 87 Millionen Deutschländer bedeutet das nach Adam Riesling … Moment, ich rechne…: Passt! Aber H0 macht daraus eine Bruchrechnung, die ihm einen Zacken aus seiner Krone kosten könnte. Das ist arm. Norbert Röttgen hingegen forderte unlängst die sofortige Aufnahme all dieser Menschen. Danke Norbert ! Ich hätte nie gedacht, dass wir uns mal nicht in die Wolle kriegen. Zum Dank schicke ich Dir eine Sammeltasse. Pass gut drauf auf! Hier laufen komische Gestalten rum, die gerne Porzellan zertöppern. Aber die sind alle von hier. Ich koche heute ein syrisches Gericht, falls jemand anklopft. Ach du liebe Zeit.

Teil 30 – Es werde Licht

Juli 13, 2020

Früher dachte ich, das Tragen einer Brille sei Ausdruck von Intelligenz. Heute weiß ich aus eigener Erfahrung, dass der Grund dafür lediglich eine zumeist altersbedingte Minderung des Sehvermögens ist. Früher dachte ich, dass alle Männer mit langen Haaren progressive, avantgardistische Menschen sind. Sie hatten für mich etwas Hippieeskes. Heute weiß ich, der war einfach ewig nicht beim Frisör. Warum auch immer. Vielleicht krank, tot, oder Salon dicht. Früher dachte ich, dass alle Männer mit Glatze Nazis sind. Heute weiß ich aus vorübergehender, eigener Erfahrung, dass es wahnsinnig angenehm und unkompliziert ist, wenn man sich da oben um nichts kümmern muss. Zumindest außen. Innen wird es da schon etwas komplizierter. Denn da kann keiner so richtig reingucken. Was in meinem Fall auch besser so ist. Zahlen und Formeln beispielsweise würde man dort vergeblich suchen.  Und meine selbst diagnostizierte Prosopagnosie würde dann auffliegen. Bei anderen Menschen hingegen möchte ich schon mal einen Blick hinter die Hirnkulissen werfen. Bei gewissen Personen hege ich diesen Wunsch nicht, denn da sieht man bereits von außen, was drinnen los ist. Tote Hose. Oft gründen die vom Nichts Getroffenen eine Partei oder sie denken parteilos verquer. Unter Gleichgesinnten fallen intellektuelle Defizite nicht sofort auf.  Geht ja Allen so im rechtsfreien Raum. Aber ich will nicht politisch werden. Damit fange ich gar nicht erst an. Nein. Ich dachte früher auch, dass die Menschen sich doch einfach offen, freundlich, frei und voller Nächstenliebe begegnen können. Heute finde ich diese Sicht naiv. Aber so ähnlich steht es in der Bibel. Glaub ich. Obwohl da auch noch ganz andere Sachen drin stehen. Aber das habe ich erst später erfahren und insofern taugt die Bibel auch nicht wirklich als Knigge – Ersatz. Aber an ein paar Ideen aus ihr sollten sich die Menschen ruhig mal halten. Und an die Straßenverkehrsordnung. Da steht zwar nicht explizit drin, dass man auf Straßen nicht meditieren darf und Mittelstreifenyoga wird darin auch nicht erwähnt. Ich sag immer: Meditation weder im Auto, noch auf der Bordsteinkante. Auch nicht auf Zebra-, noch sonstigen Streifen. In der StVO geht es gleich am Anfang um Vorsicht, gegenseitige Rücksichtnahme und andere antiquierte Begriffe. Insofern steht sie für mich auf einer Stufe mit der Bibel. Eigentlich steht alles drin, aber keine Sau hält sich dran. Ich hoffe, dieser Satz ist gendermäßig unbedenklich. Denn es sind ja meist die Eber, die sich daneben benehmen. Und wer Paragraph 1 nicht kapiert hat, ist bei Paragraph 2 eh raus. So fahren die dann auch. Aber mit Führer-Schein. Es werde Licht.

Was ich eigentlich erzählen wollte, ist, dass man die Menschen heute nicht mehr aufgrund ihres Äußeren einer bestimmten politischen oder gesellschaftlichen Gruppe zuordnen kann. Beim Fußball ist das ganz pragmatisch durch die Wahl unterschiedlicher Vereinsfarben geregelt. Ganz einfach. Ich möchte schließlich die Chance haben, beim Erkennen einer mir entgegenkommenden Person mit einer gewissen Farbkombination schnell weglaufen, oder zumindest die Straßenseite wechseln zu können. Der, der mir entgegenkommt, hätte seinerseits nichts zu befürchten. Denn ich respektiere, wenn er einer anderen Farbkombination folgt als ich. Das geht mich auch gar nichts an. Ist doch sein Problem. Nun ist also meine Sicht auf diese Gesellschaft mit all ihren Gruppen, Grüppchen, Parteien und Parteichen vernebelt. Oder wie man heutzutage sagt, verschwurbelt. Was verschwurbelt bedeutet, war für mich bis letzten Freitag ein Begriff aus dem Reich der Dämonen, Faune und der Apotheken – Rundschau. Dann habe ich Menschen durch meinen Kiez ziehen sehen mit lustigen Kostümen, lustigen Dialekten und ich wusste genau, wohin die am nächsten Tag gehen werden. Gottseidank steht hier nur ein Wasserturm und keine Siegssäule. Der langhaarige Hippie mit der Nickelbrille wird einen Reporter am Rande dieser sogenannten Hygiene-Demo verdreschen, der Intellektuelle mit RayBan Sonnenbrille und Dreijahresbart wird sein „Gib Gates keinen Chance!“ – T-Shirt in eine der bis dahin noch nicht beschädigten Kameras halten, Öko – Mütter und -Väter werden kreischend ihr Recht auf die Grundrechte an der Siegessäule skandieren und Rechte werden das machen, was sie am besten können: Hohlen, dumpfen Hass. Mit Doppel – S. So sieht es inzwischen aus auf unseren Straßen und mir wird speiübel dabei. „Die Mutter der Dummheit ist immer schwanger!“, so der Kommentar meines Vaters heute angesichts dieser erbärmlich, dämlichen Proteste. Er hat heute einen Gottesdienst gehalten, vor dreißig Menschen, mit seinen 93 erlebten Lebensjahren. Er ist klug und hat sicher von der Nächstenliebe gesprochen. Die Mutter der Dummheit aber ist immer schwanger. Sollen sie alle ihre Meinung haben, so lächerlich sie mir auch erscheinen mag. Mögen sie sie auch gerne öffentlich bekunden, das ist ihr gutes Recht. Aber sich aufzuführen wie die Kettensäge in der Baumschule (sagt man das so?), das ist widerlich! Denen gehört aus meiner Sicht der Arsch versohlt. Ich bin gegen jede Form der Gewalt, aber ich bin kompromissbereit genug, um mal eine Ausnahme zu machen. Schreibe ich mich jetzt um Kopf und Kragen? Ich glaube nicht, nein. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass man Menschen, die jedem vernünftigem Dialog aus dem Weg gehen und die nur blind um sich schlagen, in ihre Schranken weisen muss. Das muss jeder Einzelne, die Gesellschaft und die Politik tun. Wird das versäumt, dann werden die immer offener gewalttätig. Und das macht mir Angst.

Ein entscheidendes Problem ist, dass diese Verschwörungsschafherde für kein Argument der Welt empfänglich ist. Im Gegentum. Jedes aus meiner Sicht sachliche und vernünftige Argument wird von der Veganer-Kochbuchrückseite als Bestätigung ihrer wilden Theorien manifestiert. Insofern ist kein Dialog möglich. Liegt es an den Zutaten? Ich weiß es nicht. Ich habe nichts gegen Veganer. Ich koche selten nach Kochbuch, meist aus der Hüfte und verarbeite, was da ist. Außer Hüfte.

Aber seit diesem Wochenende ist alles anders. Es reicht! Es reicht, was wir uns von diesen Indianern, Schamanen, Kochbuchverfassern und -lesern, von Straßenmeditierern, abgewrackten Sonnenkindern, Alt-Müslis mit altdeutscher Röhrender-Hirsch-Umhängetasche, Nazifratzen, Identitären, AfD’lern, Reichswürgern und Normalos bieten lassen müssen. Und gendergerecht gern noch mal alles mit *innen dahinter.

Ich lese überall: Eine Demokratie muss sowas aushalten! Ich hab grad auf meinem Ausweis nachgeguckt – da steht nicht, dass ich eine Demokratie bin. Also muss ich das nicht aushalten. Denn es ist nicht auszuhalten. Punkt. Meine persönliche Schmerzabsperrung ist seit diesem Wochenende überschritten. Kein Polizist hat sie gesichert.

Wobei ich an dieser Stelle eine Lanze für die Beamten brechen möchte. Sie haben sich diesem Mob entgegen gestellt. Für uns. Für unsere Demokratie. Von der man halten kann, was man will. Uns geht es besser als den meisten Menschen auf dieser Welt. Wir haben diese Pandemie dank kluger Wissenschaftler und besonnender Politiker bisher relativ gut überstanden. Sie haben vielleicht nicht immer richtig, aber sicher nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Es war und ist und bleibt für uns und für alle Entscheidungsträger absolutes Neuland.

Diese Polizisten waren zu Dritt und auf sich gestellt vor dem Eingang zum Reichstag. Ich habe dieses Video immer und immer wieder gesehen. Ich hätte mir vor Angst an die Hüften gemacht und diese Drei haben den Triumph dieser Idioten verhindert. Für Dich. Für mich. Für uns. Diese Dreitausend Frauen und Männer hatten sich für diesen vielleicht letzten Sommertag sicherlich was Besseres vorgestellt, als einem beschränkten Mob in seine Schranken weisen zu müssen. Dafür würde ich vor ihnen meinen Hut ziehen. Wenn ich einen hätte. Ich habe nur eine Basecap. Aus Baumwolle. Ich ziehe sie. Ach du liebe Zeit

Titel 29 – Systemrelevant

April 28, 2020

Hurra – ich bin seit einer Woche systemrelevant! Systemrelewas? Ich habe bisher gar nicht über meine berufliche Relevanz nachgedacht. Geschweige denn, dieses Wort gedacht. Undenkbar. Ich bin doch kein floridaler Wrestler. (Siehe Teil 28.) Denn die dürfen ihre Kinder nun endlich auch in die Notbetreuung geben. Obwohl ich immer dachte, Amerika wäre seit einigen Jahren schon komplett notbetreut. Nun bin ich also auserwählt, meiner Arbeit zum Wohle des Systems und seiner Menschen ungestört nachgehen zu dürfen. Obwohl ich das von Anfang der Krise an schon getan hab. Jetzt frag ich mich – was eigentlich ist ein System und was heißt relevant? Ich versuche es mal ohne Google und beginne mit System und dem System: Ich würde System spontan als komplex-chaotisches Durcheinander vieler Dinge, Menschen, Entscheidungsträger, Gedanken und Störfaktoren definieren. Ich hege die Vermutung, dass sich Systeme abnutzen. Um das zu verhindern, fährt man sie von Zeit zu Zeit etwas runter. Zum Beispiel am Wochenende. So, als würde ich den Verschleiß der Bremsen eines Autos dadurch reduzieren, indem ich nicht mehr so viel bremse. Ich habe bisher zwei gesellschaftlich relevante Systeme kennen-, aber beide nicht sonderlich lieben gelernt. Auf ein Drittes hab ich gar keine Lust. Das Erste währte kürzer als von mir und vielen Anderen erwartet, auch wenn wir immer sagten: „Erich währt am längsten!“ Ich bin immer fest davon ausgegangen, dass ich erst als Rentner in den Westen oder den ferneren Osten reisen darf. Wer im Osten das Rentenalter erreicht hatte, war eh fluchtunfähig. Man ließ diese Menschen dann reisen, also nicht flüchten, denn sie waren für die Gesellschaft nicht mehr relevant. Sie waren keine Arbeitskräfte mehr, die potentiell den maroden Laden mit am Laufen hätten halten können. Sie kosteten den Staat nur noch Geld. Sollten sie doch drüben bleiben und dem anderen Staat auf der reich gefüllten Tasche liegen. Der Westen kam dann zu mir, bevor man mich zu ihm ließ. So war er, der Westen. Dem Osten zugewandt. Denn da geht die Sonne auf. Würde ich als Westen auch so machen. Ist ja auch ganz schön hier.

Nun bin ich also auch so ein elitärer Schnösel, wie ÄrztInnen, Krankenschwestern, Pfleger, VerkäuferInnen und welche -Innen sonst noch so die Maschine am Dampfen halten. Darf man dieses -Innen eigentlich noch sagen? Geschweige denn schreiben, oder hat man dann ausgegendert? Egal, ich hab mir das mal so angewöhnt und es spricht dadurch immer noch der Gedanke der Gleichberechtigung aus mir und aus meiner Überzeugung. Der Musiker in mir ist leider nicht sytemrelevant, er hat zu schweigen. In Ermangelung der Mehrheit. Also nicht der schweigenden Mehrheit, sondern angesichts eines fehlenden, sich für gewöhnlich in Überzahl befindlichen Publikums. Gottseidank, so sage ich jetzt, habe ich mich irgendwann entschieden, nicht mehr davon leben wollen zu müssen. Ein anderer Beruf ernährt mich nun, wenngleich auch aktuell mit Abstrichen auf dem Lohnzettel. Und das ist kein Coronatest. Nun kenne ich so viele Menschen, die von der Kunst leben, die ohne ein zahlendes Publikum schlichtweg nun nichts mehr verdienen. Kultur ist die Seele eines Volkes, sie will gepflegt und behütet werden. Auch wenn das einigen Abgeordneten, die im Bundestag vom Rednerpult aus gesehen rechts sitzen, so gar nicht passt. Das freie Denken, dass Kunst und Kultur brauchen, schätzt man dort nicht besonders. Mögen sie diese Tatsache, sowie die de facto – Schließung der Grenzen momentan als Erfolg feiern. Irgendwann erobert sich die Seele unseres Volkes die kleinen und großen Bühnen zurück. Und überwindet auch wieder die Grenzen. Legal. Und das in beide Richtungen. Denn das nennt man Freiheit. Ich persönlich kann mit den momentanen Einschränkungen meiner persönlichen Freiheit ganz gut leben. Denn ich habe die feste Überzeugung, dass das nötig ist! Und ich bin, was eingeschränkte Freiheiten angeht, aufgrund meiner Herkunft ganz gut durchtrainiert.

Das Internet ist voll von kruden VerschwörungstheoretikerInnen, wahnwitzigen Ansichten und Halbwissen jeglicher Couleur. Eine Welt voller Experten. Wunderbar. Menschen, die sonst besser nicht (und das zurecht) öffentlich nach ihrer Meinung befragt werden, äußern diese nun ungefiltert. Meine inneren Filtersysteme sind davon langsam aber sicher verstopft. Es ist und bleibt nun mal die größte Unfähigkeit des Menschen – das Denken. Manche verstauchen sich beim bloßen Versuch übel das Hirn. Leider ist bei mir in solchen Momenten die Schwelle des Fremdschämens deutlich überschritten. Aber es gibt auch wunderbare Beispiele für eine Kultur des Humors und der Menschlichkeit im Netz. Ich denke an Kurt Krömer, der gemeinsam mit Annie Hoffmann den Viren- Talk mit Namen „Und nu?“ auf YouTube postet. In jeder Folge kommt ein Mensch zu Wort, der/ die mit seiner und ihrer Arbeit zum Funktionieren dieser Gesellschaft beiträgt. Menschen, die sonst keine Bühne haben. Oder Otto Waalkes, der mich mit täglichen, kleinen Spots von seinem Sofa aus aufmuntert möchte und das auch tut. All die vielen Musiker und Künstler, die den eingeschränkten Rahmen ihrer vier Wände nutzen, um ihre Kunst in die Welt zu schicken. Ich habe eine Nichte, die im Moment gefühlte 24 Stunden am Tag für das wirtschaftliche Überleben von künstlerisch tätigen KollegInnen rackert, deutschlandweit netzwerkt, damit in den Medien präsent ist und die dafür noch angefeindet wird. Schämen sollen sie die, die das tun! Es geht um unsere Kultur und um die Existenz derer, die zumeist mäßig bezahlt dafür sorgen, dass wir in weichen Sesseln anspruchsvolle Kunst genießen dürfen!

Ich habe neulich einen dieser unzähligen Internet-Clips gesehen. Man sah Passagiere in einem Flugzeug sitzen. Der Pilot sprach: „Sehr geehrte Passagiere, willkommen an Bord. Ich bin zur Zeit im Homeoffice.“ Ich liebe diesen Humor! Und den werde ich mir trotz Allem und Allen nicht nehmen lassen. Humor ist zutiefst systemrelevant!

Ach du liebe Zeit.

Teil 27 – Alle Macht den Virologen

April 3, 2020

Was die meisten von Euch über mich nicht wissen, ist, dass ich gar kein Virologe bin!  Soweit habe ich es im Leben nicht gebracht. Das Einzige, was mich für einen ärztlichen Beruf qualifizieren könnte, ist meine Handschrift. Denn zwischen meiner Handschrift und einer seismografischen Aufzeichnung gibt es keinen sichtbaren Unterschied. Schade, dass ich es nicht soweit gebracht habe, denn die Virologen haben inzwischen weltweit die Macht an sich gerissen. Sie beraten und raten. Die alte Faustregel – Zwei Ärzte, drei Meinungen! – scheint derzeit weitestgehend außer Kraft gesetzt. Gut so. Auch wenn es  unter den Virologen vereinzelte Querschläger gibt, die die weltweite Pandemie, bzw. deren Folgen herunterspielen. Aber die kommen in ein paar Wochen sicher auf allen Viren angekrochen und geben ihren Irrtum kleinlaut zu. Oder vielleicht werden sie auch triumviren? Weil sie vielleicht Recht hatten. Wer weiß das jetzt schon? Nachher sind ja immer alle klüger. Vorher klüger waren aber auch Einige. Donald Trump natürlich, Boris Becker – äh, Johnson, einige Vertreter der Verschwörungspraktiker – Fraktion, vereinzelte Germanys – Last – Aluhut – Topfmodels und weiß ich, was sonst noch für Flaschen. Leider fällt denen, bzw. deren Völkern nun deren Klugheit vor die Füße. Angenehm ruhig wurde es dagegen in den geschlossenen Reihen der Aggros für Deutschland! Schön, dass die endlich mal nichts zu einem Thema sagen, zu dem sie nichts zu sagen haben. Sonst sagen die ja trotzdem immer was. Auch ohne etwas zu sagen zu haben. Gottseidank haben die hier nichts zu sagen. Sag ich immer. Schade übrigens, dass die Macht der Virologen nicht soweit geht, um diesem Bazillus das Handwerk zu legen. Immerhin werden die inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtet. So von Homeoffice zu Homeoffice. Diese Entscheidung zur Überwachung kam alles andere als überstürzt und wurde von mir mit einem weltanschaulichen Gähnen quittiert. Frei nach der Devise: Schön, dass ihr doch noch bemerkt habt, dass dieser blaue Haufen unserer Demokratie, unserem Land und meiner morgendlichen guten Laune schadet. Der komische Vogel AfD fliegt im Moment momentan eh eine Dauerrechtskurve, weil der rechte Flügel lahmt. Aber machen wir uns nichts vor – die Burschen um Björn Bernd Bazillus Höcke haben bereits angekündigt, ihre Kyffhäuser – Mittelaltermärkte unter anderem Namen und in einem anderen Rahmen weiterzuführen. Leider werden die sich nicht in die vollgeküffte Luft auflösen, aus der sie gekommen sind.

Der BER. Der WER? Ursprünglich als Flughafen konzipiert und irgendwann als ein zum Fluchhafen mutiertes Irgendwas in den märkischen Sand gepatzt. Was haben wir gespottet, was haben wir gelacht angesichts dieses Desasters. In Schwaben sagt man: „Wir können alles, bis auf Hochdeutsch!“ Ich stimme dem zweiten Teil dieser Aussage zu, den ersten kann ich nicht beurteilen. Über Berlin spottet man: Wir können alles, bis auf S – Bahn, Flughafen, Bundesliga und gefühlt noch siebzig andere Dinge. Einspruch, liebes Rest – Deutschland! Bundesliga können wir relativ gut. Sogar doppelt! Nur lässt man uns grad nicht. Und was den BER angeht, der hebt bald ab! Man raunt hinter vorgehaltenem Flügel, sogar noch im Herbst. In welchem Herbst, weiß nur der Kranich. Ich vermute aber, es wird auf den kommenden Herbst, also den nach dem nächsten Jahrhundertsommer hinauslaufen. Denn dann geht die Wahrscheinlichkeit, dass da tatsächlich ein Flugzeug landet, gegen Null. Da rackert und baggert man nun über zwanzig Jahre, besticht, lügt, vertuscht und kittet an allen Ecken und Enden. Dann endlich ist ein Ende in Sicht und – keine Sau will fliegen. Das ist ungerecht! Aber mein derzeitiger Lieblingswunsch wäre es auch nicht, in ein Flugzeug zu steigen und nach Corona – Beach  oder Covid – Island zu jetten. Das kann ich auch hier haben. Also, bitte alle schön auf dem Boden und noch besser zuhause bleiben! In eine „Boing 737 Max“ setzt sich ja auch keiner mehr. Aus gutem Grund.

Schade, jetzt hatte ich in der Fliegerei endlich ein Thema gefunden, welches mich interessiert, da muss ich einsehen, dass es außer mir im Moment wohl kaum jemanden interessiert. Ich gestehe, dass „Mayday – Alarm im Cockpit“ eine meiner Lieblingsserien ist. Man mag das wiederholte Betrachten von Flugkatastrophen als morbides Hobby empfinden, mir persönlich hat es die latent vorhandene Flugangst genommen. Verstehe ich doch dadurch die Physik des Fliegens besser. Wenn man die gegen Null gesunkenen Flugzahlen zugrunde legt, scheint zumindest diese eine Angst des Menschen derzeit unbegründet zu sein.

Nun wurde es ein ungeplanter  Ausflug in die Welt des Flugwesens. Das war gar nicht meine Absicht. Aber ist wie verhext, ich fange mit einem Thema an und gerate dann in starke Turbulenzen. Wie man von Virologen über Trump zum BER kommen kann, ist mir völlig schleierhaft. Einen festen Platz in meinem schreibenden Herzen hat jedoch diese unselige Partei mit ihren unseligen Protagonisten. Die nisten sich hier immer wieder ein. Mich ärgert das sehr, denn eigentlich möchte ich meine Energie für Schöneres verschwenden. Ich komme an diesem Haufen einfach nicht vorbei – Sorry.

Aber für eines bin ich diesem Verein dankbar! Nämlich, dass ich durch sie ab und zu meine christlich  – humanistische Erziehung vergesse. Es tut gut, sich ab und zu mal neben sich selbst zu stellen. Da ist jetzt schließlich genug Platz.  Ach du liebe Zeit.

Kleiner Nachsatz:

Wir alle können aus und in der gegenwärtigen Situation viel lernen! In meinem engsten persönlichen Umfeld machen Menschen erstmals die Erfahrung, was Mangel bedeutet. Ich hab da einen Erfahrungsvorlauf von 1965 bis 1989 und wundere mich nicht, wenn es plötzlich nur noch 20 Sorten Fruchtjoghurt gibt, statt 297. Esse ich eh nicht. Und ich lerne viele neue Wörter kennen. Zum Beispiel das Wort „Prepper“. Das sind die mit dem Klopapier. Bisher kannte ich dieses Wort nur als Teil des Namens eines  Beatles – Albums. Vor allem aber lerne ich, dass Keiner wirklich was weiß. Kein Präsident, kein Virologe. Mein Vertrauen gehört der Verkäuferin an der Lidl – Kasse! Stellvertretend für alle Menschen, die den Laden hier am Laufen halten. Ihr wisst, worum es geht. Danke. 

Teil 26 – Geht doch

März 30, 2020

Nun sitzen wir da. Also zuhause. Wer hätte das gedacht? Und wer hätte gedacht, dass sich die meisten von uns darüber nicht freuen. „Zuhause ist es am Schönsten“ – heißt es immer, aber dass die Zimmerdecke mit andauerndem Aufenthalt immer weiter nach unten ächzt, hatten wohl nur die wenigsten im Kopf. Dafür jetzt die Decke auf dem Selbigen. Der konfliktschonende, zeitweise Abstand zum Rest der Familie, in Fachkreisen auch „Arbeit“ genannt, entfällt und wir sehen uns ganztags plötzlich Menschen gegenüber, die wir vorwiegend aus Urlaub, Wochenende, Feierabend, gemeinsamen Aktivitäten und Mahlzeiten mehr oder weniger gut kennen. Und auf die wir uns zu all diesen Gelegenheiten auch sehr freuen. Es wird gar ein Anstieg der häuslichen Gewalt befürchtet. Da ich weder von inner- noch außerhäuslicher Gewalt etwas halte, möchte ich lieber damit rechnen, dass wir uns alle vielleicht etwas besser kennen und verstehen lernen. In unseren eigenen vier Wänden. Meistens sind es ja auch deutlich mehr als vier Wände, was jedem Einzelnen gewisse Rückzugsmöglichkeiten bietet, welche man auch als solche nutzen sollte. Wir haben hier extra eine Hausordnung erstellt, die Aufgaben und den Umgang miteinander regelt. Es gab jedoch bereits erste Verstöße, da irgendwer ungefragt die Aufgabe von irgendwem übernommen hatte. Geht doch!

Bei den Schulaufgaben meiner jüngsten Tochter habe ich die einzigartige und wahrscheinlich letzte Möglichkeit, meine Mathe-, Deutsch- und Englischkenntnisse der dritten Klasse aufzufrischen. Ich bin aufgrund der dabei auftretenden Ratlosigkeit erstaunt, wie lange das schon her ist. Angesichts der dargebotenen Lerninhalte entwickelt sich in mir eine gewisse Ehrfurcht vor den Leistungen meiner Tochter. Plötzlich bekommt man eine Ahnung, was Lehrer und Erzieher den ganzen Tag leisten, was sie uns im Alltag abnehmen und unseren Kindern an Bildung und Werten mitgeben. Werte haben wir hier zwar auch, aber es kann ja nicht schaden, wenn da noch mal jemand drüber guckt. Ich hoffe inständig, dass den ein- und ausgebildeten Auf-die-Schule-Meckerern unter uns Eltern nun klar wird, was von diesen Menschen in der Schule an unseren Kindern geleistet wird. In meinem Freundeskreis ist eine kleine Lehrerschar vertreten. Quasi eine Art Lehrervertretung. Was die manchmal so erzählen, also ehrlich – für mich würde dieser Beruf das sichere Ende bedeuten. Einen Elternabend in geschützter Vater-Position überstehe ich beim dritten Kind meistens  routiniert und lediglich leicht lädiert, aber als Lehrer hätte ich nicht den Hauch einer Überlebenschance. Halten wir uns nicht damit auf, dass sie alle gut so verdienen und auch ordentlich Ferien haben. Würdigen wir zur Abwechslung, was sie für die Zukunft unserer Kinder tun. Geht!

Nun ist man nicht nur in der Wohnung nicht alleine, die Nachbarn gibt es ja auch noch. Und da auch sie den Verhaltensregeln und Einschränkungen der Krise unterliegen, läuft man sich nun häufiger über den Weg. Bei den guten Nachbarn ist das schön und kein Problem. Aber bei den wunderlichen stellt sich nach und nach eine ungeahnte Sympathie und Hilfsbereitschaft ein, mit der man hinter oft verhärteten Fronten nicht gerechnet hätte. Plötzlich achten wir ungefragt aufeinander, bieten Hilfe an, vernetzen uns. Frühere Probleme im Umgang mit dem gemeinsamen Eigentum werden nebensächlich. Man bespricht alles ruhig und sachlich und im freundlichen Ton. Die blöde Kuh aus dem zweiten Stock wird zur freundlichen Frau Doktor Sowieso und der Stiesel von unterm Dach mutiert plötzlich zu einem offenen und zugewandten Zeitgenossen. Geht doch!

Hätte ich Hüte, ich würde sie ganztags ziehen. Vor all den Menschen, die unseren Alltag mit aller Kraft versuchen, am Leben zu erhalten! Es gibt viele Berufsgruppen, die weder durch gesellschaftliche Hochachtung noch von einer angemessenen Bezahlung gesegnet sind. Interessanterweise kommt es jetzt genau auf viele dieser Berufe an. Ich bedanke mich nach jedem Einkauf bei der Kassiererin oder dem Kassierer für ihre und seine Arbeit. Diese Menschen können nicht den ganzen Tag den Sicherheitsabstand zu anderen halten und sie treffen auf mehr Menschen als ich zuhause. Ich habe selbst viele Jahre im Einzelhandel verbracht und weiß, welcher Stress schon in normalen Zeiten in diesem Beruf entsteht. Ganz zu schweigen von den Menschen in der stationären und häuslichen Pflege. Unterbezahlt, unterbesetzt, oft desolaten Bedingungen und katastrophalen Dienstplänen ausgesetzt, müssen sie neben der Pflege von bedürftigen Menschen diese aktuell auch noch vor einem Virus schützen, der gerade unter diesen kranken Menschen verheerende Folgen hätte. Dies sind nur zwei Beispiele von Berufsgruppen, die zwei Dinge brauchen – gesellschaftliche Aufwertung und gerechte, angemessene Entlohnung. Und ich möchte dabei nicht die Ärzte vergessen! Denen mangelt es zwar in der Regel nicht an den vorgenannten zwei Dingen, aber auch sie stehen aktuell im Dauerstress und dem Spagat zwischen Dienst, Familie und einer im Vergleich mit Anderen erhöhten Ansteckungsgefahr. Auch alle Berufe, in denen momentan viel Augenmaß vonnöten ist, Polizei, Justiz, öffentliche Verwaltung – sie alle verdienen unser aller Respekt! Respekt, dieses harte Wort, welches von unterbelichteten Rappern sinnentleert und inflationär in die offenen Ohren von sinnzuentleerenden Jugendlichen gepustet wird – mag es in diesen Zeiten doch bitte seinen wohlverdienten Sinn zurückerhalten. Geht!

Es gibt noch andere positive Dinge zu beobachten. Am Montag sah ich in den Nachrichten Bilder von den Straßen deutscher Städte. Unter anderem aus Dresden. Montagabend – da war doch da immer was?! Wo steckt nur dieser Wutbürger mit dem lustigen Deutschlandhütchen und seine dazugehörigen Mitwutbürgerinnen und Mitwutbürger? Nun müssen die alle zuhause auf ihren Sitzgruppen höckern und schreien ihre NS-Andachtsgegenstände an. Dabei könnten sie die Zeit zum Nachdenken nutzen. Das mache ich beim Lernstoff der 3. Klasse auch so. Also nachdenken. Muss ich sogar. Schreien möchte ich dabei manchmal auch. Und die Reichsbürger mussten nun auch alle heim in ihr kleines Reich. Wo sie vorerst festsitzen und kein Un-Heil anrichten können. Geht doch! Die AfD verliert weiter an Zustimmung. Na klar, gegen einen ins Land gekommenen fremden Virus kann man schlecht hetzen! Aber immerhin haben sie darauf verwiesen, dass sie ja schon immer gesagt haben, die Grenzen müssten dicht gemacht werden. Dieser Vorschlag ist bei Viren wenig zielführend. Mein Vorschlag wäre, dass die gesamte Truppe nach Nordkorea auswandert. Das wäre grenzschließtechnisch deren Paradies. Zumindest was die Grenzen angeht. Was das bedeutete, würden sie aber erst realisieren, wenn sie drin sind. Und dann wäre es zu spät. Geht doch, geht! Aber ich vermute, die will da eh keiner haben. Grauland, Ali Weidel, Meuthen und Co. haben in dieser Situation definitiv nichts Sinnvolles beizutragen. Wie immer, nur dass das jetzt hoffentlich mal ein paar ihrer Wähler schnallen. Was es nämlich bedeutet, wenn die Grenzen dicht sind: Erntehelfer fehlen, Pflegekräfte fehlen – all diese Jobs, die keiner von uns machen will. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wie sagte Herbert Grönemeyer einmal: „Liebe Ausländer, lasst mich nicht mit den Deutschen allein!“ Ich fand diesen Satz in den Neunzigern unglaublich gut. Erst jetzt beginne ich, ihn zu verstehen. Man kann von der aktuellen Regierung halten, was man will, aber ich persönlich habe ein gewisses Grundvertrauen in ihre Handlungsfähigkeit. Und die ausgesandten Signale und Maßnahmen sind richtig. Geht doch!

Ich bin ein großer Fan einer gewissen Ballsportart und ein noch größerer Fan eines gewissen Ballsportartvereins. An meinem Schreibtisch hängen zwei traurige Tickets für zwei in den letzten Wochen ausgefallene Spiele. Gegen die Bayern und gegen eine Alte Dame aus Charlottenburg. Das stimmt mich traurig. Aber ich muss, wie jede und jeder Andere damit leben und es hinnehmen. Und mich über die wenigen positiven Nebeneffekte freuen. Dass es vorerst nicht zu rassistischen Beleidigungen von Spielern und nicht zu einer weiteren Eskalation in den Stadien kommen wird! Dass auch hier endlich mal realisiert wird, dass es wichtigeres gibt als Fußball und dass auch die Tribüne kein rechtsfreier Raum ist! Zwei Anhänger der Alten Dame (einer von ihnen ist ein sehr guter Freund von mir) haben gerade auf YouTube den Song „Berliner Fußballfans halten zusammen“ veröffentlicht. Beide jeweils mit Hertha- und Unionschal um ihre Charlottenburger Hälse. Und das sicher nicht nur gegen die Kälte, da hätte einer gereicht. Auch hier sage ich: Geht doch!

Mir ist bewusst, dass es im Sport und in allen kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen zu massiven Veränderungen kommen wird. Existenzen werden vernichtet, kleine wie große Firmen werden in den Ruin getrieben. Diese Krise wird enormen Schaden in allen Bereichen des Lebens anrichten. Aber sie bietet uns  die einmalige Chance, unser Leben zu überdenken. Persönlich, gesellschaftlich und global. Wir sollten diese Chance annehmen und nutzen. Die Welt wird danach eine andere sein, dessen sollten wir gewiss sein. Man wird später von der Zeit vor Corona sprechen und es wird interessant sein zu erfahren, wie wir dann über diese Welt von früher sprechen werden.

Es ist nicht mein Ansinnen, irgendetwas an dieser gegenwärtigen Situation schön zu reden! Und meine Gedanken sind bei allen, die nun um ihre Existenz bangen müssen. Und ich habe nicht die geringste Ahnung, was von all dem Positiven nach der Krise bleiben wird. Aber es ist ein kleiner Trost, dass wir es jetzt haben. Das macht mir persönlich in diesen Tagen Mut. Mut geht immer doch! Ach du liebe Zeit.

Teil 25 – Nomen est Omen

November 22, 2018

In der heutigen Jubiläumsausgabe widme ich mich dem Thema „Namen“. Wer das langweilig findet, kann auch einfach umschalten. In diesem Text ist eine Fernbedienung versteckt. Also, der Name. Ich selbst finde Namen hochgradig spannend. Sagen sie doch viel über Menschen, Orte, Tiere, Waffensysteme, Joghurtsorten, Vereine, Parteien, Autotypen und ähnliche Dinge aus. Ohne mich irgendwie in den Vordergrund drängeln zu wollen, fange ich einfach mal mit meinem Namen an: Gestatten – Roland Krispin. Eine wohlige Mischung aus einem altdeutschen Vornamen und einem lateinischen Nachnamen. Wobei die Betonung im Namen Krispin auf der letzten Silbe liegt. Betont ihn jemand vorn, bin ich beleidigt. Durch seine finale Betonung wird das zweite „i“ lang gesprochen, obwohl diese Dehnung nicht durch ein „e“ markiert wird. Das liegt daran, dass ein langes „i“ nur gedehnt wird, wenn es in der ersten Silbe steht und diese erste Silbe betont ist. Was bei „Krispin“ nicht der Fall ist. Bei Margarine auch nicht. Wieder was gelernt. Die Ernüchterung über diesen ein wenig exotisch klingenden Namen tritt umgehend ein, wenn man ihn ins Deutsche übersetzt. Denn es handelt sich hier schlicht um den Namen Krauskopf. Was sich auch zu Krause vereinfachen ließe. Man hat also den Mann, lange vor mir, mit den wirren Haaren so tituliert. In meinem Fall hätte man einen anderen Namen gewählt. Roland wiederum ist ganz simpel: Ruhm und Land. Das klingt etwas völkisch, aber dazu komme ich später. Ich versichere, dass ich nicht völkisch bin und auch nicht völkisch denke. Also, wenn ich denke. Ich möchte keinem Krause unter Euch zu nahe treten, aber ich bin froh, dass ich nicht Roland Krause heiße. Das würde unter anderem auch bedeuten, dass meine Band nicht KRISPIN, sondern KRAUSE hieße. Was nicht so recht zu der Ernsthaftigkeit, der wilden Romantik und der Melancholie unserer Lieder passen würde.

Ein Auto, das „Tiguan“ heißt, assoziiert kein auf dem Sofa schnurrendes Perserkätzchen, sondern eher den gestreiften Draufgänger auf dem Fahrersitz. Die Idee, einen Panzer „Leopard“ zu nennen, ist in letzter Konsequenz ähnlich motiviert. Lese ich im Zoo bei den nachtaktiven Tieren den Namen „Nacktmull“, so denke ich nicht automatisch an ein elfengleiches Wesen, dass voller Anmut durch die selbstgebuddelten Erdgänge des Terrariums schwebt. Wohingegen der Name „Kolibri“ allen in mir geweckten Erwartungen an das Tier entspricht. Wenn ein Joghurt „Landliebe“ heißt, kommt es mir nicht in den Sinn, ihn Freitag Nachmittag an der Schönhauser Ecke Danziger zu verspeisen. Beim Biss in einen „Othello“ – Keks werde ich nicht nach Venedig entführt, wo Shakespeare den Mohr (das Wort darf man gar nicht mehr sagen) literarisch angesiedelt hat. Wenn in einem Film jemand „Rübennase“ genannt wird, denke ich nicht an einen römischen Adligen, der pompös seiner Sänfte entsteigt. Wenn ich an den Ort „Elend“ im Harz denke, fällt mir unweigerlich der berühmte Kohl´sche Spruch mit den blühenden Landschaften ein. Und Hartz 4. Wer in Philadelphia lebt, muss nicht unbedingt die gleichnamige Torte mögen. Bei einem Schützenverein jedoch bin ich mir absolut sicher, dass der nichts mit Schutz zu tun hat. Ich könnte beliebig viele Beispiele finden, bei denen der Name eines Dinges entweder den Nagel auf den Kopf trifft oder uns willentlich oder aus Versehen in die Irre führt.

Ich sehe grad, ich hab die Parteien vergessen. Auch wenn man das meistens getrost  auch kann. Nehmen wir den Front National unserer Nachbarn links auf der Landkarte. Das klingt nach Ansage: Stolz, national, aggressiv und un petit peu nach einem Hauch Obelix. Und er erinnert mich auch immer etwas an meinen alten Freund Frank. Phonetisch. Oder die PIS – Partei aus dem Land stramm rechts von uns auf der Landkarte. Welch ein Name! Besser geht’s nicht, ich mach mir jedes Mal fast in die Hose, wenn ich ihn höre. Ich vermute, auf das Doppel-S haben die nur verzichtet, um nicht mit dieser deutschen Trachtentruppe aus dem Zweiten Weltkrieg verwechselt zu werden. Dabei haben die, also wir, in diesem Krieg gerade in Polen übel gewütet. Ich dachte immer, solche Länder sind ein für alle Mal gegen den nationalistischen Virus geimpft. Aber der Mensch vergisst. Die Gesellschaft auch. Wie harmlos klingt dagegen der Name unserer AfD? Also, unsere AfD im Sinne von – im Garten unserer Gesellschaft verwuchert. Meine ist sie jedenfalls nicht und ich mag diese Abkürzung gar nicht aussprechen. Geschweige denn nehmen. Manchmal ist der weitere Weg der bessere. Wenn man von der Tatsache absieht, dass das Wort „Affe“ genauso beginnt, bin ich von der Trostlosigkeit dieses Namens irgendwie gelangweidelt. Anders als von ihrem Spitzenpersonal. Da gerate ich schon mal in Ekstase. Wenn Ali Weidel (ich glaube sie würde sich freuen, zu hören, dass ich sie so nenne) das Rednerpult im Deutschen Bundestag mit ihrem Redeskript verprügelt, dann verstehe ich sie irgendwie. Ich weiß nur nicht wie. Es muss schon verdammt weh tun, wenn man alle anderen Parteien so durch den Finanzierungsdreck ziehen muss, nur um von sich selbst abzulenken. Dabei finde ich es gar nicht so schlecht, wenn sie von sich selbst ablenkt. So ersparen wir uns alle die lästige Suche nach der Fernbedienung. Und ihren Namen kann ich so auch leichter wieder vergessen. Nie gehört!

Ich hoffe, ich habe den Beweis führen können, dass Nomen auch immer Omen sind. Nomen est Omen – wie man früher in einem anderen Land zu sagen pflegte. Leider weiß ich Deinen Namen nicht, liebe/r LeserIn. Wer weiß, was mir dazu so einfallen würde. Der Name dieser Sendung hier ist „Ach du liebe Zeit“. Und damit meine ich es durchaus ernst. PIS bald.

Teil 24 – Musik

Oktober 30, 2018

Mein Weg zur Musik war kein leichter. Vermutlich schrie ich bereits als Säugling zu Mozart’s Kleiner Nachtmusik. Später differenzierte sich das etwas und es gelang mir mit Ach und Krach die Anpassung an musikalische Sachzwänge. Mein Elternhaus war ausgerichtet auf die Welt der Noten und Töne. Aktiv und passiv. Meine Mutter konnte singen, Chöre leiten, Geige, Flöte und Orgel spielen, mein Vater konnte sehr laut singen und von uns fünf Kindern musste jeder mindestens ein Instrument erlernen. Da der Fußball per Definition ein Spielgerät war und kein Musikinstrument, gehörte er nicht dazu. Leider. Da ich der letzte in der Reihe der auserwählten Instrumentalisten war, blieb für mich nur noch die Geige übrig, die aus nachvollziehbaren Gründen niemand sonst vom Nagel abhängen wollte. Was daraus wurde, lässt sich kurz wie folgt umschreiben: Ein paar Jahre quietschen, kratzen, fluchen, Tränen, Ausschimpfe und so weiter. Wer denkt, Musik machen fällt einem in den Schoß, der irrt gewaltig. Dann weitere leidvolle Jahre voller Melodien, fluchen und dem unbändigen Wunsch, das Instrument dem Kachelofen zu weihen. Und es bedeutete zehn lange Jahre lang einen cholerischen Lehrer an meiner Saite zu haben und zum Schluss die großen Schinken der klassischen Violinliteratur. Und das alles vor Publikum, das Herz in der Hose und die Knie butterweich. Ich lernte, dass man Musik nicht um ihrer Selbst und nicht nur für sich alleine macht. Dass man sich durch sie sozialisiert. Ich lernte Empfindung, Ehrfurcht, ich lernte, klein und doch ganz groß zu sein. Auf diesem Weg des musikalischen Erwachens lernte ich einen Mann kennen, der mein ganzes weiteres Leben verändern und mich bis heute begleiten sollte: Johann Sebastian Bach. Wir sind uns nie begegnet, da er viel zu früh von mir ging. Vielleicht war ich auch zu spät. Bach wurde im Laufe meines weiteren Lebens zum Fluss, zum Strom, zur Ostsee, zum Irdischen Ozean. Und zur Quelle meines musikalischen Ich’s. Ich verliere mich bis heute in den Weiten seiner Musik und in der Kunst seines Kontrapunktes. Nicht Punk. Der kam später. Warum finde ich mich gerade unpolitisch? Die politische Sprengkraft der Musik unterschätze ich nicht. Ich lebe und erlebe sie. Punk ist hochpolitisch. Mozart war ein Rebell, Bach ein Weltveränderer, Dylan auch. Wenn ich in der Leipziger Thomaskirche sitze, die Matthäus-Passion höre und die Altistin das „Erbarme dich“ singt, dann glaube ich. Alles. Die Ketten der Welt werden gesprengt, ich bin Moslem, Jude, Christ, Buddhist und werde sogar ein klitzekleines Bisschen esoterisch. Ich globuli an Gott. Oder wie die alle heißen. Das passiert mir sonst nie. In dieser Arie steckt mehr als das Leben, mehr als die Zeit und mehr als die Welt mir geben kann. Ich möchte jedesmal zu Boden sinken und irgendwem dafür danken.

Vorsicht, jetzt kommt ein brutaler Bruch, quasi eine musikalische Zäsur. In der Musik bedeutet Zäsur eine durch eine Pause oder ein anderes Mittel markierten Einschnitt im Verlauf eines Musikstückes. Sowas kennt man ja aus dem Alltag. Ich versuche mir vorzustellen, wie Alice im Wundenland Weidel bei der morgendlichen Gehirnwäsche im Bad „Like a Rolling Stone“ vor sich hingiftet. Als Wasser in ihrem Duschkopf würde ich spontan gefrieren. Zu einer anderen Vorstellung fehlt mir auch jegliche Fantasie: Der Krawattenwackeldackel der AfD singt am Abend seinen Enkeln „Der Mond ist aufgegangen“ vor. Falls er welche hat. Was ich niemandem wünsche. Matthias Claudius würde sich im Grabe wenden und der Rheinsberger See, an dessen Ufer sitzend Claudius diese überirdischen Verse schrieb, würde sich in eine apokalyptische Wüste verwandeln. In der DDR hat man versucht, die guten Geister, die Clausius rief, mithilfe eines Atomkraftwerkes auf der anderen Seeseite zu verstrahlen. Hat, wie man heute weiß, nicht mal halbwertzeitig geklappt. Apropos Atomkraftwerk – neulich fuhr bei Hannover ein Auto vor mir, an dessen Heckscheibe der Spruch klebte: „Lieber Atomkraft als Flüchtlingsstrom!“ Hätte ich Supertollvollkasko, ich wäre ihm hinten rein- und vorne wieder rausgefahren. Der Teufel, du Strohkopf, steckt wie so oft im Detail, denn „Atomkraft“ ist weiblich. Und der ganze Satzbau ist völlig daneben. So sah der Typ auch aus. Zwanzig quietschgrelle Plüschtiere auf dem Armaturenbrett. Von links nach rechts. Rechts. Da kann einem der Durchblick schon mal abhanden kommen. Da fehlte nur noch der Wackeldackel von der AfD auf der Hutablage. Wahrscheinlich hat der Wackeldackel gar keine Enkel. Als Betroffener würde ich mich davon distanzieren. So wie auch von der gestrickten Klopapierrollenweidelpuppe neben ihm. Als sie die gestrickt haben, wurden wohl einige Maschen fallen gelassen.

Zurück zur Musik. Denn hier spielt sie. Mit und in mir. Sie ist wie ein Fluss, aus dem immer wieder Neues entsteht. Immer dann, wenn ich glaube, dass es nicht mehr weiter geht, kommen Töne, Worte, Melodien. Wie das Wasser von der Quelle zum Meer fließt, so fließt sie zu mir. Quelle, Fluss, Meer, Bach. Es gibt ein Denkmal von ihm und ein Foto von mir und drei Menschen davor, die damals als Band mit mir auf Tour waren. In Leipzig vor der Kirche, in der er Kantor war. Ich habe zwei ungelesene Bücher über ihn zuhause. Ich lese zuwenig, weil ich zuviel schreibe. Bücher sind klug und mir schon deswegen haushoch überlegen. Überlegen aber kann ich. In Büchern habe ich die halbe Welt gelesen. Wenn ich schreibe, kann ich mich danach selbst lesen. Manchmal verstehe ich mich sogar. Ich habe Glück in Form einer Band, die das Alles mit mir teilt. Und mit der gemeinsam ich das mit Menschen teilen kann, die in unsere Konzerte kommen. Momente tiefen Glücks.

Ich glaube an die Kraft und die Magie der Musik. Und ich warte auf den Tag, an dem Alexander Eberhard Gauland die Toten Hosen hört. Oder Alice Weidel „Erbarme dich“. Musik ist da, wo die Sonne und der Mond aufgeht. Alex & Co. leben leider dahinter. Und da ist es dunkel. The Dark Side of the Moon. Pink Floyd, 1973. Die Toten Hosen ließen 1988 das Lied „Hier kommt Alex“ von der Leine. Ich plädiere auf Nicht Schuldig! Das konnte nun wirklich keiner vorhersehen.

Musik ist politisch. Jeder Ton den ich höre oder singe, vermittelt ein Gefühl. Ich höre und singe nur Musik, die positive Gefühle vermittelt. Sie bestimmen meine Tage, mein Denken, Handeln und Fühlen. Mit diesem Reichtum ausgestattet, kann ich weder hassen noch hauen. Nicht hetzen und petzen. Nicht lügen und betrügen. Wer „Störkraft“ und Co hört, dem muss irgendwas im Leben vorenthalten worden sein. Liebe und Wärme vielleicht. Und vielleicht eine Kindheit voller Musik.

Liebe AfD Fraktion, ich habe Reihe Eins in der Thomaskirche für Euch reserviert. Falls es die Thomaner angesichts Eurer Anwesenheit schaffen sollten zu singen, dann lernt mitfühlen, lernt lieben, lernt glücklich zu sein – so schwer es Euch auch fallen mag. Und wenn es Euch wider Erwarten ergreift, dann versucht selig zu lächeln oder drückt ein paar Tränen der Rührung weg. Das mache ich im Ernstfall auch so. Ach du liebe Zeit.

Böse Menschen haben keine Lieder, zumindest keine schönen.